Datum

19.04.1972

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Kollektiv des Georg von Rauch Hauses

Presseerklärung

"Terrorzentrale" ausgehoben?

Wir warnen die Presse davor, diese oder aehnliche Behauptungen unter Missachtung der journalistischen Sorgfaltspflicht von der Polizei zu uebernehmen. Die uns angedichteten Sprengstoffsätze gibt es nicht! Die bisherige Praxis der Polizei, siehe Georg von Rauch, siehe Spitzel Urbach, zeigt, dass es fuer die Polizei kein Problem ist, die als Beweismittel benötigten Gegenstände vorher einzuschleusen. Welche Gegenstände wurden bei uns beschlagnahmt:
leere und halbgefuellte Weinflaschen = Molotowcocktails,
Batterien und Wecker = Zeitzuender,
kaputtes Wasserrohr = Rohrbombe,
normales Werkzeug aus Hobbywerkstatt = Einbruchswerkzeuge,
Peruecken vom Lehrlingstheater = "Meinhoffperuecke", usw. usw.
Danach laesst sich jeder normale Haushalt je nach Bedarf als Terrorzentrale bezeichnen.
Bei der Nacht- und Nebelaktion heute mrogen um 4:15 Uhr drangen 800 schwerbewaffnete Polizisten in das Georg von Rauch Haus ein, in dem 63 Jugendliche schliefen. Es ging dabei nicht darum, eine "Terrorzentrale" auszuheben, sondern die Polizei und Neubauer wollen das Projekt kaputtmachen. Wir stellen nochmals fest, das Georg von Rauch Haus wurde nicht besetzt, um hier Sprengstoffwerkstaetten einzurichten, sondern Wohn- und Selbstbestimmungsmoeglichkeiten fuer Lehrlinge, Jungarbeiter und Trebegaenger zu schaffen.
Dieses fuer Berlin neue Projekt war bisher nachweislich erfolgreich. Die linke SPD konnte sich diesen Erfolgen nicht verschliessen. Durch ihre Bereitschaft, das Prjekt zu foerdern, lieferte sie dem Neubauerfluegel in der SPD und der CDU eine willkommene Angriffsflaeche fuer die parteiinternen Machtkaempfe.
Fuer uns ist klar, dass die Durchsuchung ein fadenscheiniger Vorwand war, um die erfolgreiche Arbeit der jugendlichen Arbeiter und Trebegaenger zu zerstoeren, weil der Erfolg dieser Arbeit die eigene jahrzehntelange Unfaehigkeit auf dem Sektor der Fuersorgeerziehung und der Jugendarbeit dokumentiert.
Mit Schuermaerchen will man uns von der uebrigen Bevoelkerung trennen.
Was sind die konkreten Folgen fuer die Jugendlichen, die inzwischen alle Arbeit gefunden haben:
Verlust der meist muehsam gefundenen Arbeitsplaetze
Kriminalisierung
Erzeugung von Angst und Unsicherheit
Die ersten Gespraeche zeigten, dass die Senatsverwaltung Abteilung Jugend und Sport und das Bezirksamt Kreuzberg Abt. Jugend und Sport fassungslos und erschuettert dem polizeiterror gegenueberstanden.
Wir werden uns durch die Terrorzentrale Neubauers von unserer Arbeit nicht abhalten lassen!

Das Kollektiv des
Georg von Rauch Hauses

Anmerkungen

Die Überschrift der Presseerklärung bezieht sich auf die gleichlautende Überschrift der Zeitung "Der Abend", die kurz zuvor am selben Tag erschien. Die Tatsache der leeren Weinflaschen besingt Rio in dem Lied "Rauch-Haus-Song". In dem Artikel des Telegraf vom 20.4. ist ein Foto der Flaschen bei der Beschlagnahmung zu sehen.